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Und plötzlich hielten sie die Zügel wieder selber in der Hand: nach den überraschenden Niederlagen von Frankfurt gegen Bayern München und den SC Bad Neuenahr
konnte der FCR Duisburg unverhofft die deutsche Meisterschaft wieder aus eigener Hand gewinnen. Enorm wichtig dafür war das Spiel am 4. Mai 2008 im eigenen pcc-Stadion, galt
es doch im Revierderby gegen den Nachbarn, der SG Essen/Schönebeck, nicht nur drei Punkte einzufahren, sondern vor allem auch dem hessischen Konkurrenten gegenüber Stärke zu demonstrieren.
Allerdings war gerade dem FCR Duisburg dies in der Vergangenheit nicht nur einmal in vergleichbaren Situationen mislungen. Diese Brisanz
wurde auch mit regem Interesse belohnt: insgesamt ca. 1500 Zuschauer sorgten für eine prächtige Kulisse.
Die ersten zehn Minuten verliefen recht ereignislos und konnten wohl am ehesten als "klassisches Abtasten" beschrieben werden, auch wenn die Gastgeber sicherlich etwas
mehr Bemühen zeigten, auf das gegnersiche Tor, was an diesem Tage von Lisa Weiß gehütet wurde, Druck aufzubauen. Die ersten beiden Chancen hatten dann aber die Gäste: In der 11. Minute verstolperte zunächst
Stefanie Weichelt den Ball, den sie mustergültig von Duisburgs Torfrau Kathrin Längert zugespielt bekam, dann blockte Längert in der folgenden Szene einen Schuss von Susanne Kaspeczyk, die auf der
linken Angriffsseite freigespielt wurde. In der 13. Minute waren die Gäste dann aber zielsicherer: Stefanie Weichelt zog von der Höhe der Strafraumgrenze ab und brachte mit einem harten, aber nicht allzu platzierten Schuss
ihre Mannschaft mit 1:0 in Führung. Die erste gute Chance für Duisburg gab es zehn Minuten später, doch Turid Knaak scheiterte in einem Konter, nachdem Lira Bajramaj sie bedient hatte. Duisburg war zwar durchaus bemüht, aber dem FCR gelang wenig.
Anders war es bei den Gästen, wie die mitgereisten Fans in der 25. Minute bestaunen durften, als Linda Bresonik mit einem Schuss in den Winkel das 2:0 markierte. Duisburg hätte sogar kurz darauf fast den dritten Gegentreffer kassiert, doch nach Bresonik-Vorlage
scheiterte Kasperczyk an Längert. Eine gute Schussgelegenheit hatte dann Lira Bajmaraj in der 30. Minute, ihr Schuss von der Strafraumgrenze war dann aber doch sehr harmlos. Besser machte es die Torschützin vom Dienst, Inka Grings, die vor dem Spiel für
ihren 250. Treffer im Frauenfussball-Oberhaus geehrt wurde: bei einem Konter spielte Simone Laudehr einen schönen Pass auf Grings, die im ersten Versuch zwar noch am Pfosten scheiterte, dann aber aus kurzer Distanz keine Probleme damit hatte, den Nachschuss
zu verwandeln. Fünf Minuten vor der Pause nahm sich Knaak noch ein Herz und schoss aus zwanzig Meter, doch ihr hohe Schuss ging zu sehr in die Richtung von Lisa Weiß, die mit einer schönen Parade keine Probleme hatte, den Ball zu einer letztlich
vergebenen Ecke zu klären. Durch den Anschlusstreffer war zumindest noch die Hoffnung vorhanden, die Partie zu drehen, auch wenn die teils schon hilflos schwach wirkende Spielweise einzelner Spielerinnen an Partien
wie die Hinrunden-Niederlage in Frankfurt erinnerte.
Auch zu Beginn der zweiten Halbzeit mussten die Duisburger Anhänger erst einmal tief durchatmen: Inka Wesely setzte sich in der 50. Minute über rechts durch, Bresonik legte die Flanke per Kopf auf Melanie Hoffmann ab, doch
Essens Kapitänin scheiterte denkbar knapp mit einem Schuss in den langen Winkel. Noch stärkere Nerven brauchten die zahlenden Gäste dann aber fünf Minuten später: mit einem schönen Ball auf der linken Seite bediente Sonja Fuss mustergültig Anne van Bonn, diese schaffte es
noch, so in den Ball zu springen, dass der Ball von der rechten Strafraumseite vor das Tor flog. Während van Bonn dabei Lisa Weiß fällte und sich Duisburg sicherlich nicht hätte beschweren können, wenn die im zweiten Abschnitt schwache Schiedsrichter Martina Storch-Schäfer
die Partie unterbrochen hätte, sorgte Patricia Hanebeck dafür, dass die Zuschauer sich mit dieser "Nebensächlichkeit" nicht beschäftigen mussten: Die in der folgenden Saison in Hamburg spielende Duisburgerin stand völlig nun völlig frei und ungedeckt am langen Pfosten des
leeren Tors - man musste schon zweimal hinsehen, um zu begreifen, dass "Patty" den Ball tatsächlich an der falschen Seite des Torpfostens vorbei ins Toraus schob, anstatt den sicheren Ausgleich zu erzielen. Die Partie wurde nun immer hektischer - und im Unterschied zu den beiden guten Linienrichterinnen
Marija Kurtes und Christin Hoche musste man sich schon fragen, wie man bei einer Bundesligapartie mit einer solch hohen Brisanz von Verbandsseite auf die Schiedsrichterin Storch-Schäfer zurückgreifen konnte, die auch zuvor in der Saison in der einen oder anderen Partie einen überforderten
Eindruck hinterlassen hatte - zumal mit Marija Kurtes eine Frau an der Linie stand, die bisher eine sehr solide Saison an der Pfeife gezeigt hatte. Allerdings mussten sich die Duisburgerinnen auch an die eigene Nase fassen - wie zum Beispiel in der 63. Minute: Lisa Weiß war offenbar von dem Zusammenstoß mit van Bonn weiterhin angeschlagen und lag verletzt im Strafraum, während Lira Bajramaj auf der linken Seite durchbrach und aufgrund der Situation
natürlich gefoult werden musste. Trotz des Pfiffs von Storch-Schäfer motzte die Nationalspielerin so lange lautstark, bis nicht ihre Gegenspielerin, sondern sie selber den gelben Karton gezeigt bekam. In der direkt folgenden Szene hatte Duisburg dann wieder Glück. Die Unparteiische entschied - umstritten -
auf ein Foul gegen Annike Krahn, Essen hätte mit einem schnellen Freistoß die Chance gehabt mit zwei oder drei Spielerinnen Überzahl zu kontern. So hielt Krahn taktisch korrekt den Ball fest und verhinderte dies. Es kam zu leichten Tumulten - und auch wenn es sicherlich eine halbe Minute dauerte, bis die Partie wieder angepfiffen wurde,
ging kein Blick der Schiedsrichterin zu ihrer Assistentin Kurtes, die die Situation offenbar richtig erkannt hatte und für alle Beteiligten bis auf die rothaarig-gelockte Dame in gelb auf immer wieder auf ihre Brusttasche deutete. Diesen hektischen Moment nutzten erneut die Gäste, die einfach nicht nur engagierter, sondern
auch abgeklärter agierten - und dabei auch das nötige Glück hatten: aus dreißig Metern zog Melanie Hoffmann einfach ab und ließ Kathrin Längert alles andere als gut aussehen - Essen führte nun 3:1. Es ging nun hin und her, Simone Laudehr fiel eine Minute später an der rechten Strafraumgrenze, der Pfiff blieb in einer kniffligen Situation aus. In der 68. Minute konnte Weiß eine Flanke
nicht ordentlich abfangen und ließ den Ball fallen, dies blieb aber folgenlos. Kurz darauf machte die stark spielende Torfrau dann aber ihren Fehler wieder gut und rettete gegen die freistehende Grings. In der 71. Minute holte sich Annike Krahn genauso eine gelbe Karte wegen Meckerns ab
wie in einer anderen Szene Anne van Bonn, die für einen "Scheibenwischer" gegen Kurtes mit entsprechender Schimpfwort-Unterlegung auch später noch eine Verwarnung abholte. Duisburg beschäftigte sich viel zu sehr mit äußeren Widrigkeiten als mit sich selber - dabei hätte es dort genug zu analysieren gegeben. Auch in der
73. Minute sahen die Gastgeberinnen beim vierten Gegentreffer nicht gut aus: zwar konnte Längert nach einer Ecke zunächst vor Bresonik klären, aber war dann bei einem Heber von Hoffmann völlig deplatziert - damit
hatte Essens Kapitänin ihren dritten Treffer des Tages erzielt. In der 80. Minute scheiterte die für Wesely eingewechselte Marlen Kowalik von rechts, eine Minute später traf Inka Grings nach einem Konter erneut nur den Pfosten. Bis zum Spielende hatte nur noch Simone Laudehr
zwei Gelegenheiten, doch in der 83. Minute legte sie sich den Ball viel zu weit vor, in der dritten Minute der Verlängerung ging ihr Kopfball nach einer Bajramaj-Ecke über das Tor.
So hatte man, wenn man nicht gerade Fan des FCR Duisburg ist, sicherlich einen sehr unterhaltsamen und kurzweiligen Fussballvormittag bei schönstem Wetter im pcc-Stadion, als Anhänger der grün-weißen muss man sich allerdings schon fragen,
wie es sein kann, dass sein Team immer wieder bei entscheidenden Spielen versagt und in entscheidenden Momenten sich auch einfach ungeschickt verhält. Wenn man sich bei kleinen Berührungen pausenlos theatralisch fallen lässt, macht man es einer
verunsicherten Unparteiischen auch schwer, bei tatsächlichen Fouls die Pfeife zu betätigen. Auch die Laufbereitschaft mancher Duisburgerin ließ für eine so wichtige Partie zu wünschen übrig. Durch den parallelen Sieg von Frankfurt in Freiburg
hat die Mannschaft von Martina Voss die unverhoffte Chance auf die Meisterschaft aus eigener Kraft gleich wieder verspielt, Essen hingegen spielte defensiv diszipliniert, offensiv schnell und geschickt und hatte neben der dreifachen Torschützin Hoffmann
und der sicheren Lisa Weiß vor allem in Marina Himmighofen und Carina Chojnacki zwei sehr stark spielende Verteidigerinnen.
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